Kaiserschnitt Awareness Month: Interview mit Petra

Kaiserschnitt Awareness Month: Interview mit Petra

Zum Kaiserschnitt Awareness Month hat die liebe Petra von @bauchgeburt uns ein paar Fragen zum Thema Kaiserschnitt beantwortet. Petra hat selbst eine vaginale Geburt und einen geplanten Kaiserschnitt erlebt. Auf ihrem Instagram Account setzt sie sich für mehr Positivity in Bezug auf das Thema ein. Sie hilft Frauen mit ihren eKursen dabei, sich bestmöglich auf einen Kaiserschnitt vorzubereiten.

Jede Schwangerschaft und jede Geburt ist einzigartig und deswegen ist es wichtig, alles immer mit eurem Arzt abzusprechen! Die folgenden Tipps ersetzen kein ärztliches Beratungsgespräch.

Was hat dich dazu bewogen, deinen Instagram Account @bauchgeburt zu gründen und die eKurse zur Kaiserschnitt-Vorbereitung und -Verarbeitung anzubieten?

Die kurze Antwort lautet: Das Projekt @bauchgeburt habe ich ins Leben gerufen, weil Frauen einen wertschätzenden Raum brauchen, der ihnen anbietet, sich positiv und sinnvoll mit dem Kaiserschnitt auseinanderzusetzen. Es gibt zu viele Missverständnisse und Fehlinformationen über den Kaiserschnitt und ich möchte helfen, das zu verändern. Außerdem ist es mir ein Herzensanliegen, dass die Geburt durch den Bauch – sowohl von der Gesellschaft als auch den Menschen, die sie betrifft – als genau das wahrgenommen wird: als Geburt.

Die beiden Kurse sind im Zuge meiner Arbeit auf Instagram entstanden, als sich immer mehr Frauen bei mir gemeldet haben und sich mehr Unterstützung wünschten; sowohl beim Verarbeiten ihrer Bauchgeburt als auch beim Vorbereiten auf einen geplanten Kaiserschnitt. 

Meine persönliche Geschichte ist ein wenig länger:

Ich habe selbst zwei Kinder. Meinen ersten Sohn habe ich 2016 vaginal und meinen zweiten 2018 durch den Bauch geboren. Die erste Geburt verlief äußerst ungünstig und war für mich nur schwer zu verkraften. Mein Sohn hatte enorme Anpassungsschwierigkeiten und auch mein Mann war traumatisiert. Im Laufe der zweiten Schwangerschaft kam bei mir der Gedanke an einen Kaiserschnitt auf, den ich zunächst nicht zulassen wollte. Ich hatte keine sehr hohe Meinung davon, schon gar nicht, wenn er nicht medizinisch notwendig war. Als ich mich dann doch näher informierte, stieß ich prompt auf Widerstand.

Von allen Seiten wurde mir abgeraten, es wurden Horrorgeschichten erzählt und ich bekam allerhand – heute kann ich sagen Fehlinformation um die Ohren geworfen. Aber ausnahmslos niemand – weder die Frauenärztinnen, mit denen ich sprach, noch die Hebammen oder das Personal in der Klinik – interessierte sich für die Gründe meiner Überlegungen. Und falls ich einmal die Gelegenheit bekam, über meine erste Geburt zu erzählen, wurde sofort abgewunken und erklärt, „sowas müsse man eben einfach überwinden“.

Nun bin ich selbst gut ausgebildet in mentaler Arbeit und habe lange in Eigenregie versucht, das Erlebte zu überwinden. Ich hatte außerdem mehrmals mit einer Therapeutin gesprochen, versuchte mich (erneut) in Hypnobirthing und Mentaltraining… aber die Angst, dass sich das Drama von damals wiederholen könnte, holte mich immer wieder ein. 

Ich hatte Angst, war besorgt, traurig und frustriert. War der Kaiserschnitt wirklich so ein Monster? Irgendwie wollte ich es nicht so recht glauben. Also tauchte ich tiefer in die Thematik ein. Schnell realisierte ich: Es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen einem geplanten und gewollten Kaiserschnitt und einem, der ungewollt, ungeplant, ja vielleicht sogar in einer Notsituation durchgeführt wird.

Ich erkannte, dass, da ich in der glücklichen Lage war, mich selbstbestimmt darauf einzulassen und mich körperlich, mental und emotional darauf vorbereiten zu können, sodass viele der Nachteile nicht auf mein Baby und mich zutreffen würden. Und so entschloss ich mich – trotz umfassender Gegenwehr – für einen geplanten Kaiserschnitt. Er wurde trotz psychischer Gründe als Wunschkaiserschnitt eingestuft. Schlussendlich erlebte ich eine wunderschöne, liebevolle Bauchgeburt, gebar ein unversehrtes Kind und wir alle genossen ein Wochenbett, das ich mir – besonders nach dem, was ich beim ersten Mal erlebt hatte – nie zu träumen gewagt hätte. 

Es war alles da, was sonst vorwiegend der natürlichen bzw. zumindest der vaginalen Geburt zugeschrieben wird und keines, der angekündigten Probleme wurde Wirklichkeit. Ich empfand unendliche Glücksgefühle nach der Geburt, wir konnten noch im OP bonden, hatten einen problemlosen Stillstart, eine komplikationsfreie Heilung. Es gab keine Anpassungsschwierigkeiten beim Baby, mein Kind hat keine Allergien oder sonstigen Krankheiten. Das einstige Kaiserschnitt-Baby ist heute ein aufgeweckter, mutiger, lebensfroher und feinfühliger Junge, der by the way jetzt April seinen vierten Geburtstag feiert.

Mit meinem Projekt @bauchgeburt will ich seit jeher das erschaffen, was ich mir damals gewünscht hätte: Einen Ort, an dem der Kaiserschnitt kein Monster ist, sondern einfach nur ein möglicher Weg ins Leben, eine Geburt durch den Bauch.

Kann sich ein Kaiserschnitt auf die Mutter-Kind-Bindung auswirken und wenn ja, inwiefern?

Auch hier ist wichtig, zu unterscheiden und nicht über „den Kaiserschnitt“ zu sprechen. Es macht einen Unterschied, ob eine Geburt per Kaiserschnitt geplant oder ungeplant geschieht, ob sich die Frau darauf einstellen konnte oder eben nicht. Wenn ja, wenn der Kaiserschnitt geplant ist, dann können Vorkehrungen getroffen werden, damit etwa das Bonding genauso gut klappt, wie es nach einer (gut verlaufenden) vaginalen Geburt der Fall wäre. Denn es ist nicht der Kaiserschnitt selbst, der sich negativ auf die Mutter-Kind-Bindung auswirkt. Eher sind es die Begleitumstände einer ungünstig verlaufenden Geburt (das kann auch eine vaginale sein), die Startschwierigkeiten in die Mutter-Kind-Bindung verursachen können. 

Meiner Erfahrung nach hat auch die emotionale Verfassung der Frau nach der Geburt und generell ihre persönliche Einstellung einen großen Einfluss darauf. Je mehr der Kaiserschnitt emotional bzw. mental abgelehnt wird; je traumatischer zum Beispiel ein Notkaiserschnitt, wahrgenommen wird; je schlechter die Meinung der Frau über den Kaiserschnitt und auch je negativer das Selbstbild der Frau, nach einer ungewollt operativen Geburt, desto belasteter beginnt möglicherweise auch die Mutter-Kind-Bindung. Das ist allerdings nicht die Schuld der Mutter und ich halte es auch für falsch, in diesem Zusammenhang mit dem Wort „Verantwortung“ aufzuwarten. 

Viel wichtiger ist es, bessere Vorarbeit in Hinblick auf den Kaiserschnitt zu leisten. Einerseits muss die Geburtshilfe den Kaiserschnitt in Geburtsvorbereitungskursen besser (und richtig) integrieren; sie muss wertfreier aufklären und vorbereiten. Schließlich wird auch in Zukunft ungefähr jede dritte Frau per Kaiserschnitt gebären. Das ändert sich nicht, indem man den Kaiserschnitt ignoriert oder verteufelt. Und zweitens müssen wir aufhören, das Bild des Kaiserschnitts schwarz weiß zu malen. Wir müssen ihm Farbe zugestehen und aufhören, so zu tun, als wäre die Geburt durch den Bauch etwas ganz Furchtbares. Wenn sich das allgemeine Bild vom Kaiserschnitt verbessert, fühlen sich auch die Frauen besser, die ihn erleben. Es ist von großer Bedeutung, dass wir jede Geburt – egal auf welchem Wege sie geschieht – gleich wertschätzen.

Ergänzend dazu ist anzumerken, dass der Notkaiserschnitt eine Sonderstellung einnimmt. Hier kann es aufgrund der Vollnarkose eher zu Bindungshürden kommen als bei nicht in Vollnarkose durchgeführten Kaiserschnitt-Geburten. Der Grund dafür ist, dass die Frau ihr Baby nicht von Beginn an bei sich hat. Meist entfällt das erste Bonding, da die Frau etwas Zeit braucht, um sich von der Narkose zu erholen. Viele Frauen vermissen deshalb die überschwänglichen, hormonell bedingten Glücksgefühle, die uns sonst überkommen und die Mutter-Kind-Bindung positiv beeinflussen. Auch das Annehmen des Babys kann mitunter schwerer fallen, weil die Mutter es nicht sofort sehen konnte. So fühlt sie nicht, dass der Mensch neben ihr wirklich ihr Baby ist, selbst wenn es ihr rational klar ist.

Die Verknüpfung zwischen Mutter-Kind-Bindung und Geburt (jeder Art) ist sehr komplex. Selbst wenn ich wollte, könnte ich gar nicht alles unterbringen, was es hier zu sagen gibt.

Wie unterscheidet sich die Regeneration bei einem Kaiserschnitt von der bei einer vaginalen Geburt? 

Das ist von Frau zu Frau verschieden. Auf der Hand liegt, dass wir bei Bauchgeburten keine Geburtsverletzungen im Intimbereich haben werden. Wer (wie ich) solche Geburtsverletzungen erlitten hat, weiß, wie enorm belastend das sein kann. Leider wird auch darüber viel zu wenig gesprochen. 

Andererseits muss die Öffnung, durch die das Baby geboren wurde, nachdem sie genäht wurde, heilen und das braucht mehrere Wochen bzw. Monate Zeit. Dank guter Schmerztherapie sind die Schmerzen nach einem Kaiserschnitt meist ausgezeichnet in den Griff zu bekommen. Die Frau kann (und sollte) meist (!) bereits am Tag der Bauchgeburt aufstehen und ihr Baby versorgen. Wichtig ist nur, dass sich die Wöchnerin auch wirklich traut, Schmerzmittel zu verlangen, anstatt „es auszuhalten“. Die Schmerzen nach einer so großen Operation wie dieser, möchten dir zwar zeigen, dass du dich schonen sollst. Aber das wirst du auch so spüren. Zu starke Schmerzen machen uns in diesem Fall nicht stärker, sondern hindern uns eher daran, den Fokus auf das zu legen, was wichtig ist und die Zeit mit unseren Babys zu genießen.

Gut ist, dass es sich beim Kaiserschnitt um eine kontrolliert durchgeführte “Verletzung” handelt und sich die Operationstechniken in den letzten 20 bis 30 Jahren deutlich verbessert haben. Wann sich eine Frau wieder komplett schmerzfrei bewegen kann und sich wieder so fit fühlt, wie vor der Geburt, das würde ich persönlich nicht zu verallgemeinern wagen. Die Rede ist gerne von 4 bis 6 Wochen. Ich würde eher 6 bis 12 Wochen meinen.

Worauf müssen Frauen nach einem Kaiserschnitt achten?

Das ist zwar keine abschließende Liste, aber ein paar Punkte, kann ich schnell zusammenfassen:

  • So bald wie möglich, am besten noch am Tag des Kaiserschnitts, unter medizinischer Aufsicht aufstehen.
  • Wenn du stillen möchtest: Anlegen, anlegen, anlegen. Lieber zu oft als zu selten. Warte nicht, bis man dir dein Baby bringt, sondern hol es dir. Wenn es zu beschwerlich ist, dein Baby selbst ins Bett zu holen (was absolut verständlich ist), dann bitte deine Geburtsbegleitung, Pfleger/innen und Geburtshelfer/innen, dir deinen kleinen Schatz immer wiederzugeben und in deine gewünschte Stillposition zu bringen, damit du problemlos anlegen kannst. Ob es sofort „funktioniert“ ist überhaupt nicht von Belang, denn das tut es auch nach einer vaginalen Geburt oft nicht so schnell wie man gemeinhin glaubt. Aber der ganze Prozess des Anlegens, der körperlichen Nähe und die damit verbundenen Sinneswahrnehmungen von dir und deinem Baby, werden sich positiv auf das Stillen auswirken und du trägst damit zu einem bestmöglichen (!) Stillstart bei. Bitte, bedenke: Wir können nicht alles kontrollieren. Dein Bestes ist gut genug!
  • Stelle deine Fragen, solange du im Krankenhaus bist. Die Zeit auf der Wöchnerinnen-Station ist ideal, um Antworten auf alle deine Fragen zu erhalten. Stelle sie also ruhig, auch auf die Gefahr hin, lästig zu erscheinen. Du bist gerade Mutter geworden, hast zudem eine Operation erlebt, die Hormone spielen verrückt und überhaupt ist alles neu. Du kannst gar nicht alles wissen. Bitte verlange nicht von dir selbst, dass du mit allem alleine umgehen musst und dass du alles alleine herausfinden musst. Frage noch in der Klinik, was genau du nach dem Kaiserschnitt tun darfst und was nicht; worauf du achten sollst; welche Bewegungen okay sind und welche nicht. Bitte um Tipps zum Aufstehen, frage, was du bei Schmerzen tun sollst. Erkundige dich, wie die du am besten mit der Wunde umgehen solltest.
  • Du entscheidest, wie du den Kaiserschnitt findest. Niemand hat das Recht, deine Geburt zu bewerten. Und selbst wenn es passiert, es hat keinen Einfluss auf dich. Der Kaiserschnitt ist weder gut noch schlecht, aber selbstverständlich kann sich deine Geburt durch den Bauch für dich gut oder schlecht oder wie auch immer angefühlt haben. Das ist okay. Gleichwohl ist jede Geburt wertvoll, egal auf welchem Wege sie passiert ist. Wenn ich dir nur eines mitgeben darf, dann bitte das: Du hast dein Baby (neun) Monate zur Welt gebracht und nicht an einem Tag.
  • Wenn nicht anders empfohlen: Lass deine Wunde in Ruhe heilen und gib ihr Zeit. Nicht zupfen, nicht rumdrücken, keine Kosmetika und nein, du brauchst sie auch nicht extra zu reinigen. Bis daraus eine schöne Narbe entsteht, können viele Monate und gern auch mal Jahre vergehen. Das ist normal. Wenn du aber feststellst, dass Rötungen mehr werden oder du Eiter erkennst, hole ärztlichen Rat ein (anstatt lange zu googeln). Meistens können kleinere Entzündungen schnell und unkompliziert dann auch zu Hause behandelt werden.

Gar nicht leicht, hier aufzuhören. Ich lade dich von Herzen gerne ein, mich auf Instagram zu besuchen und dort mehr zu lesen. 

Hat ein Kaiserschnitt auch Vorteile gegenüber einer vaginalen Geburt (abgesehen von den Situationen, in denen er die einzige Option ist, das Baby gesund auf die Welt zu bringen)?

Ja, selbstverständlich. Beide Geburtswege haben Vor- und Nachteile. Sofern sich eine Frau selbstbestimmt für einen Geburtsweg entscheiden kann, halte ich es für wichtig, das auch bewusst zu tun. Selbstbestimmung hört nicht vor dem Kaiserschnitt auf. Das betone ich immer wieder.

Was es bei der Betrachtung von Vor- und Nachteilen zu beachten gilt, ist meiner Ansicht nach auch, dass wir immer vom „Best-Case“ ausgehen. Sowohl die Vorteile einer vaginalen als auch die eines Kaiserschnitts verschieben sich, sobald die Geburt nicht so läuft, wie gedacht.

Ein Vorteil eines geplanten Kaiserschnitts ist, dass kaum Unvorhergesehenes passiert, weshalb er als sicherer Geburtsweg einzustufen ist. Ganz anders als vaginale Geburten, die leider nicht immer so „normal“ und schon gar nicht so natürlich verlaufen, wie es gerne dargestellt wird. (Nur etwas mehr als ein Viertel aller Frauen, denen eine Geburt bevorsteht, werden ohne nennenswerte Interventionen gebären.)

Ein Kaiserschnitt gilt heute – ob das nun allen gefällt oder nicht – als Routineeingriff. Er ist in mehr oder weniger als 20 Minuten durchgeführt und dank besser werdenden Krankenhaus-Abläufen kann wie nach einer vaginalen Geburt sofort gebondet werden.

Weitere Vorteile sind beispielsweise, der Wegfall der meist heftigen Geburtsschmerzen und dass Vagina, Vulva, Damm und Anus mit Sicherheit unverletzt bleiben. 

Was sind die größten Vorurteile bei einem Kaiserschnitt?

Es gibt zwar tatsächlich viele Vorurteile, aber womit wir uns, denke ich, mehr beschäftigen dürfen, sind die Missverständnisse in Hinblick auf den Kaiserschnitt. Denn sie sind es, die die Vorurteile befeuern.

Vorurteil 1: Fehlende Differenzierung

Nehmen wir die Tatsache, dass in vielen Artikeln über den Kaiserschnitt nicht zwischen einem geplanten/ungeplanten und gewolltem/ungewolltem Kaiserschnitt differenziert wird. Ein geplanter Kaiserschnitt, auf den sich alle vorbereiten konnten, läuft routiniert ab, stressfrei, ist sicher und vornehmlich komplikationslos. Aus solchen Bauchgeburten entstehen keine Schreckensgeschichten über den Kaiserschnitt.

Anders ist das bei Notkaiserschnitt-Geburten (die im Übrigen selten vorkommen und schlicht und ergreifend notwendig sind). Frauen werden davon regelrecht überrumpelt – und zwar in jeder Hinsicht. Bei einem Notkaiserschnitt geht es immer um Leben und Tod. Fast immer findet er in Vollnarkose statt und jedem wird klar sein: Solche Geburten werden von den betroffenen Frauen selten positiv erlebt. Die meisten Horrorgeschichten über den Kaiserschnitt entstammen solchen, äußerst negativ erlebten Kaiserschnitt-Geburten; oder verständlicherweise auch jenen Geburten, die in der nachträglichen Betrachtung nicht zwangsläufig hätten per Kaiserschnitt geschehen müssen. 

Vorurteil 2: Frauen, die den Kaiserschnitt wählen “machen es sich leicht”

Oder nehmen wir den Gedanken, dass Frauen, die sich für einen Kaiserschnitt entscheiden, es sich „leicht machen“. Erstens dürfen wir uns fragen: Was ist falsch daran, sich etwas leicht zu machen. Müssen wir uns unsere Babys nach neun Monaten Schwangerschaft denn wirklich erst durch Geburtsschmerz „verdienen“? Zweitens: Der Kaiserschnitt ist nicht der leichtere Weg, sondern nur ein anderer. Frauen, die per Kaiserschnitt gebären, haben andere Sorgen, andere Ängste, andere Unsicherheiten, andere Schmerzen, andere Beschwerden und Einschränkungen. 

Ein weiteres gängiges Missverständnis betrifft den Wunschkaiserschnitt. Erstens, sind die wenigsten Kaiserschnitt-Geburten tatsächlich Wunschkaiserschnitte. Man geht von etwa drei bis vier Prozent aller Schnittgeburten aus. Und zweitens frage ich mich: Kann eine Geburt, für die eine große Bauchoperation nötig ist, tatsächlich ein „Wunsch“ sein? Frauen, die selbst-entschlossen per Kaiserschnitt gebären werden, obwohl es rein körperlich keine medizinische Indikation dafür gibt, „wünschen“ sich selten einen Kaiserschnitt, sondern haben meist psychische Gründe dafür. Angst, Traumata, teilweise auch psychische Störungen. Die Frage ist: Können wir 2022 solche Gründe wirklich immer noch als „Wünsche“ abtun und damit psychologische Aspekte einfach so ignorieren? Warum wird Selbstbestimmung bei vaginalen Geburten großgeschrieben und bei Kaiserschnitt-Geburten vernachlässigt?

Vorurteil 3: Ein Kaiserschnitt sei keine “richtige Geburt”

Eines der größten und für betroffene Frauen belastendsten Missverständnisse ist sicher auch der folgende Satz: „Kaiserschnitt ist keine richtige (oder normale) Geburt“. Dem widerspreche ich vehement. In meinem Verständnis ist Geburt ein Prozess, der nicht erst mit dem Einsetzen der Wehen beginnt und mit dem Verlassen des Babys durch den Geburtskanal endet. Ich sehe es eher so, dass Frauen unsere Babys über viele Monate hinweg zu Welt bringen. Geburt ist ein langer, liebevoller und wertvoller Prozess. Immer. Wo das Baby am Ende dieser Reise deinen Körper verlässt, sagt nichts über die Richtigkeit oder Normalität deiner Geburt aus. Ganz davon abgesehen, dass wir bei einer Kaiserschnitt-Rate von rund 30 % wirklich nicht mehr von „abnormal“ sprechen können.

Der Kaiserschnitt ist keine natürliche Geburt. Aber selbst die meisten vaginalen Geburten sind keine natürlichen mehr. Saugglocken, Schmerzmittel, PDA… All das ist unnatürlich und medizinisch. Und trotzdem genauso in Ordnung.

Wichtiger als die Frage, welche Geburten andere subjektiv als normal/gut/richtig bezeichnen, ist es, selbst in Frieden zu gehen mit der eigenen Geburt und sich damit auszusöhnen. 

Welche Veränderungen wünschst du dir in der Gesellschaft im Umgang mit dem Thema Kaiserschnitt?

Ich wünsche mir, dass Menschen genauer werden, wenn sie über den Kaiserschnitt berichten und dass sie differenzierter analysieren.

Ich wünsche mir, dass Frauen selbst bestimmen können, wie sie gebären möchten und dass – beispielsweise in Geburtsvorbereitungskursen – über alle Vor- und Nachteile wertneutral informiert wird.

Und ich wünsche mir, dass Frauen verstehen, dass die Art ihrer Geburt, und auch die Art ihrer Schwangerschaft und der Ausgang ihrer Geburt (im wahrsten Sinne des Wortes), nichts über ihren Wert als Frau, Mensch und Mutter aussagt. Ich wünsche mir, dass sich Frauen freuen und trauern können, aber dass es nicht das vorgefertigte Bild der Gesellschaft ist, das Frauen zusätzlich belastet oder manipuliert.

Und wenn ich noch etwas zu Kaiserschnitt-Mamas sagen darf, die Schwierigkeiten mit der Bindung zu ihrem Baby hatten oder haben, dann ist es das: 

Deine Liebe kommt nie zu spät.

Vielen Dank für das schöne Interview, Petra!


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