Mein Abitur 2020 – Interview mit Sarah

Sarah hat dieses Jahr ihr Abitur erfolgreich abgeschlossen und wir haben ihr und ihrer Mama Fragen zu dieser doch sehr besonderen Erfahrung gestellt. Lest in unserem Interview wie sie die Situation empfunden haben.

Liebe Sarah, du hast dieses Jahr dein Abi gemacht – erst einmal herzlichen Glückwunsch! Wie war es für dich?

Zuerst mal vielen Dank für die Glückwünsche. Für mich war das Abitur, wie wahrscheinlich für jeden Abiturienten, auch die der vorherigen Jahrgänge, ein riesiger Schritt in Richtung Erwachsen werden. Der Moment in dem ich mein Abiturzeugnis das erste Mal in den Händen gehalten habe war einer der stolzesten in meinem bisherigen Leben. Doch der Weg bis dahin war schon ein sehr steiniger. Unser letzter Schultag bestand daraus, dass wir anfangs nicht einmal wussten, dass es unser Letzter sein würde. Als dann nachmittags die Meldung kam, dass die Schulen tatsächlich schließen würden, haben wir uns als Stufe zumindest noch einmal mehr oder weniger alle getroffen und zumindest ein paar letzte Momente zusammen gehabt. Wobei es sich nicht einmal annähernd nach einem Abschluss anfühlte. Beinahe jeder in dieser Turnhalle, mich eingeschlossen, dachte, dass es nach ein oder zwei Wochen in der Schule weitergehen würde. Fast alle dachten, dass wir noch einmal regulären Unterricht haben würden, uns noch einmal richtig voneinander verabschieden könnten. Doch Woche um Woche wurde es rund um Corona nicht besser, sondern immer schlechter. Wir saßen also alles Zuhause und realisierten nach und nach, dass es das jetzt nun wirklich gewesen war. Dass wir weder einen richtigen letzten Schultag, noch eine Mottowoche oder einen Abistreich haben würden, also all das, worauf man sich als Abiturient wirklich freut. Dazu kam irgendwann die Ungewissheit, ob wir für unser Abitur überhaupt Prüfungen schreiben müssen. Diese Ungewissheit plus das Wissen, dass wir nicht in allen Kursen mit dem Unterrichtsstoff durchgekommen waren, machten es unfassbar schwer sich in vollem Umfang auf unser Abitur vorzubereiten. Auch die einzelnen Unterrichtsstunden, die wir unter Corona- Auflagen in den letzten zwei Wochen vor unseren Prüfungen noch hatten, haben nur bedingt dazu beigetragen, dass man sich besser oder in der Vorbereitung sicherer gefühlt hätte. Trotzdem war es echt schön zumindest in ein paar Kursen nochmal mit den Leuten zusammenzukommen, mit denen man die letzten acht Jahre, teilweise die letzten zwölf Jahre verbracht hatte. Als es dann wirklich zu den Prüfungen kam war ich dann nicht nur wegen den eigentlichen Prüfungen nervös, ein Gefühl was vermutlich jeder Abiturient kennt, sondern dazu kam die Angst sich und seine Lieben anzustecken, was nicht zur Beruhigung der Nerven beigetragen hat. Umso glücklicher war ich dann aber, als alle meine Prüfungen durch waren und ich dann, nach einem Monat warten, endlich meine Ergebnisse bekommen habe.

Viele erkunden ja nach dem Abitur erst einmal ein bisschen die Welt, bevor es weitergeht: Musstest du deine Pläne aufgrund der Situation ändern?

Schon ein bisschen. Vielleicht nicht so gravierend wie bei anderen, aber auch ich musste einige Änderungen in Kauf nehmen. Alle meine Bewerbungsverfahren wurden nach hinten verschoben, was aber für mich persönlich nicht ganz so dramatisch war. Mein favorisiertes Bewerbungsverfahren für ein duales Studium bei der Polizei NRW wurde um Monate verschoben. Das kam dann zum normalen Abistress und zum Coronastress dazu. Mittlerweile sieht es da aber sehr gut aus, ganz durch bin ich aber, dank Corona, noch nicht. Mein Plan B wäre ein Jurastudium, für das ich jetzt auch den NC in der Tasche habe. Ich glaube es ist eine gute Vorbereitung darauf im Leben flexibel zu sein, sich nicht auf einen Plan zu versteifen und nicht davon abweichen zu können. Auch die Reise, die mir meine Mutter und mein Stiefvater zum Abitur geschenkt haben muss jetzt leider erstmal ein gutes Stück nach hinten rutschen, aber es ist auch etwas auf das man sich freuen kann, wenn dieser ganze Wahnsinn zu Ende ist.

Wie haben Sie als Mama den Prozess bis zum bestandenen Abitur wahrgenommen – wie haben Sie den Umgang mit der Situation empfunden?

Für mich war der Prozess besonders durch Unterschiede geprägt. Er war genauso unvorhersehbar, wie die Gesamtsituation. Besonders die Ungewissheit um das Stattfinden der Abiturprüfungen habe ich als sehr verunsichernd empfunden. Besonders das hat mich sehr belastet, weil ich gemerkt habe wie sehr Sarah teilweise damit zu kämpfen hatte. Wäre es von Anfang an klar gewesen wie es abläuft, wäre es wesentlich entspannter in der Vorbereitung auf das Abitur gewesen. Innerhalb der Familie haben wir sogar schon gewettet, ob es nun Abiturprüfungen gibt oder nicht. Als Mama versucht man sich das alles aber natürlich nicht anmerken zu lassen. Dein Kind hadert sowieso schon mit der Situation, da versucht man dann es nicht durch die eigenen Ängste noch schlimmer zu machen. Hauptziel musste es sein Sarah zu unterstützen und ihr jederzeit das Gefühl zu geben, dass sie es schafft, egal wie es nun kommt. Natürlich war ich dann besonders stolz, als dann das Ergebnis feststand und sie ihr Zeugnis in den Händen hielt. Was mir dann auch sehr wichtig war , war Sarah zu zeigen, dass nicht alles „umsonst“ war. Ich wollte ihr, auch wenn der Abiball nicht stattfinden könnte schöne Erinnerungen um ihr Abitur schaffen. Deshalb haben wir auch noch ein Abiballkleid gekauft als schon absehbar war, dass der Abiball nicht stattfinden wird.

Dieses Jahr ist es leider, durch Corona, nicht möglich euren Abiball zu veranstalten – wie feiert ihr den Abschluss?

Als mehr oder weniger klar war, dass der Abiball nicht stattfinden wird war ich schon sehr enttäuscht. Umso mehr hat es mich dann aber gefreut, als wir trotzdem ein Kleid gekauft haben. Im Voraus hatten mir meine Mutter und mein Stiefvater schon eine Option vorgestellt, falls der Abiball ausfallen würde. Da der Abiball nun sicher ausfällt gehen wir, sobald ich Anfang Juli 18 werde und die Casinos wieder aufmachen erst schick Essen und dann in ein Spielcasino, natürlich alles im Abiballkleid und mit Spielchips. Außerdem war es ja nun so, dass zumindest unsere Zeugnisvergabe in einem festlichen Rahmen stattfinden konnte. Alle Mädels im Abiballkleid und alle Jungs im Anzug, das war schon ein tolles Erlebnis, das nochmal zusätzlich schöne Erinnerungen geschaffen hat. Zum ersten Mal hat man sich wirklich wie ein Abiturient gefühlt. Nach Allem was für uns nicht möglich war hatte ich das Gefühl, dass wir endlich ein Stück der Erfahrungen, die uns im Laufe der letzten Monate verloren gegangen sind, zurückbekommen haben. Im kleinen Kreis mit Familie und Freunden haben wir dann im Anschluss an die Zeugnisvergabe noch in unserem Garten gefeiert und den Tag ausklingen lassen

Der Schulabschluss ist ein wichtiger Meilenstein, gibt es einen Rat oder ein schönes Zitat, das Sie Ihrer Tochter mit auf den Weg geben möchten?

Ein besonders schönes Zitat habe ich aus einer der Reden bei der Zeugnisverleihung mitgenommen: „Du bist gut so wie du bist.“ Denn genau das spiegelt meine Gefühle wider. Ich hoffe, dass ich meiner Tochter mit auf den Weg geben konnte, dass sie immer an sich selbst glauben soll, sich auf sich persönlich verlässt und wir als Familie immer hinter ihr stehen. Und sie genau so wie sie ist „richtig“ ist. Sie soll ihren eigenen Weg gehen, den ich immer unterstützen werde.

Grundsätzlich gelten aber die Worte von Oscar Wilde „Unabhängigkeit bedeutet alles“.

Vielen vielen Dank für das schöne Interview